Die Akademische Vereinigung Kristall, nach dem 2. Weltkrieg gegründet, ist eine noch recht junge Verbindung. Ebenfalls hat sie einige für Studentenverbindungen eher unübliche Traditionen, wie den vollständigen Verzicht auf Farben, auf den Fuxenstatus etc. Dieses bewusst schon seit der Gründung 1949. Daher soll gerade auf diese Zeit vertiefend eingegangen werden. Und da wir das Glück haben, daß der große Teil der alten Bundesbrüder noch lebt, kann hier auf Zitate zurückgegriffen werden, die am besten die damalige Stimmung wiedergeben und so eine hohe Authentizität garantieren.
Gründung der Akademischen Vereinigung Kristall
"Dieses Kapitel erzählt von einem Grüppchen damals neuer und munterer Studenten, das über die Zeitspanne des ganzen Lebens Kontakt halten wollte und deshalb die "Akademische Vereinigung Kristall" gründete." (Rudolf Tschoepke, Gründer)
"Das Entstehen unserer Verbindung reicht in eine Zeit zurück, die gekennzeichnet war von den Folgen des erst wenige Jahre zuvor beendeten 2. Weltkrieges. Deutschland war zerschlagen, viele Menschen waren heimatlos geworden und versuchten unter großen Strapazen und Erfahrungen einen Neuanfang... Wir alle begannen Hoffnung zu schöpfen und rollten die Hemdsärmel auf, um eine neue Zukunft zu erobern. Aber welche Zukunft? Das war für uns in den ersten Clausthaler Tagen die Frage. Wir wollten etwas Neues aufbauen, etwas völlig Anderes als das, was man uns zu glauben gelehrt hatte. Etwas, für das wir stehen konnten, in dem wir uns entfalten konnten, wo soziale Verantwortung keine Frage, sondern etwas dauerhaft gültiges war." (Günther Schliesing, Aufnahme WS 49/50)
"Oft saßen wir bei Jochen Proff und seinem Freund Werner Fritsche im Treuer Zipfel auf der Bude und berieten, welchen Namen wir der neuen Vereinigung geben sollten. In dem Bestreben, die alten Germanen nicht zum x-ten Male zu bemühen und in der Absicht, den von uns hochgeschätzten Professor Hermann Borchert als einen würdigen und stets menschlich vorbildhaften Vertreter der Mineralogie zu ehren, machten wir das Experiment, unsere Verbindung "Kristall" zu nennen. Mögen die Menschen und die Zeiten sich in den seitdem vergangenen fünf Jahrzehnten geändert haben, gegen diesen Namen erhob niemand Einspruch. Seitdem haben wir in unserer Verbindung etwas Neues mit dem alten Prinzip der Freundschaft über Generationen hinweg verbunden, wie es später noch viel deutlicher mit der Aufnahme von Frauen bei Kristall Ausdruck fand." (Rudolf Tschoepke)
"Die Zwitterhaftigkeit dieser jungen Kriegsgeneration zwischen eingebleutem konservativen Denken und liberaler demokratischer Einstellung fand auch ihren Ausdruck in der Satzung der AV Kristall, in der die eindeutigen Zeichen restaurativen Denkens, wie das Schlagen und Farbentragen, abgelehnt wurden, doch andere äußere Formen "übersetzt" weiterbestanden: Betreuer statt Fuxmajor, vorläufiges Mitglied statt Fux, Vater statt Bursche – viel Kopie. Auf 1X, 2X, 3X (XXX) und gar auf einen Zirkel hat man nicht verzichtet und auch nicht auf ein äußeres Zeichen, am Kragen angebracht, das dem Kenner den Akademiker ausweist; immerhin ein geschmackvoller und für Clausthal bezeichnender Kristall." (Hans-Albert Blasum, WS 53/54)
Am 1. Juli 1949 wurde die Akademische Vereinigung Kristall als siebte Nachkriegsverbindung in Clausthal-Zellerfeld zugelassen und war bald ein fester Bestandteil des Clausthaler studentischen Lebens.
Kristall in den folgenden Jahren
1956 wurde die AV Kristall vorläufiges Mitglied im Schwarzburgbund, einem Dachverband nichtschlagender, farbentragender, christlicher Studentenverbindungen, 1958 wurde sie dann entgültig aufgenommen.
In diesem Zusammenhang hatte die Kristall ihre erste große Zerreißprobe: Einige Bundesbrüder wollten das Farbentragen einführen. Die Frage eskalierte und nachdem es mit knapper Mehrheit abgelehnt wurde, traten anschließend rund 10 Bundesbrüder, die damals für Farben waren, aus. Sie gründeten wenig später mit einer bis dahin vertagten Altherrenschaft in Clausthal die "Rheno-Silesia", eine farbentragende Sängerschaftsverbindung. Erst mehrere Semester später konnte sich Kristall von dem Massenaustritt so vieler Bundesbrüder erholen
Nach verschiedenen angemieteten Wohnungen und Häusern konnte 1977 ein eigenes Haus in der Mühlenstraße 27 erworben werden, in dem wir auch heute noch wohnen. Die Umbau- und Renovierungsarbeiten wurden (und werden) großenteils von der Aktivitas in Eigenregie durchgeführt.
Ein sehr wichtiger Meilenstein war die Aufnahme von Frauen in die AV Kristall. Aufgrund des geringen Anteils an weiblichen Studenten in Clausthal war dieses über viele Jahre kein Thema. Aber schließlich gab es 1988 den Aufnahmeantrag einer Studentin. Nach teilweise heftigen Diskussionen über dieses Thema wurde schließlich Einigkeit erzielt, und so konnte 1990 die erste Bundesschwester in den Reihen der Kristall begrüßt werden. Damit waren wir die erste Verbindung in Clausthal, die auch Frauen offensteht.